Einleitung Das Königreich Arn Die bekannte Welt Impressum
 

Das Königreich Arn > Die Hochkönige und das Geschlecht der Adier

»Früher war es Sitte, dass sich die Könige einen zweiten Namen, einen Thronnamen in der alten Sprache zulegten. Wir stehen vor unserer Niederlage, die Gesichter im Staub. Ich werde daher Alyn-Urnairea sein - die Königin aus dem Staub.«

Isidel die Schöne zu Cerina und Muranc

Die Hochkönige
und das Geschlecht der Adier

In den letzten Jahren lastete ein Fluch auf dem Reich von Uruanur und seinem König Asrondor. Die Macht des Königs und das Ansehen seines Hauses schwanden zusehends, Schrecken machten sich breit, und mehr und mehr flohen die Menschen aus der Hauptstadt Alcanië in die Grenzmarken des Reichen und über die Grenzen hinaus. Als eine der letzten verließ Irimar, die Tochter des Königs, ihren Vater. Sie war damals noch eine junge Frau, selbstbewusst, mit scharfem Verstand und großen Ambitionen. Lange Zeit blieb sie bei Asrondor, doch letztendlich musste sie seinen Fall hilflos mit ansehen und erkennen, dass es keine Hoffnung gab, weder für ihn, noch für das alte Reich, denn seine Macht war an den gleichen Gegenstand gebunden wie nun auch sein Niedergang.

Irimar ging nach Süden und ließ sich mit ihrem Gefolge nahe der Stadt Izmë nieder. Sie heiratete den Edelmann Tuligast, der, bereits in fortgeschrittenem Alter, einer der angesehensten und reichsten Bürger Izmës war. Dieser Tuligast war keine angenehme Erscheinung, klein, beleibt und mit quietschig hoher Stimme, doch liebte er seine Frau abgöttisch und ließ sie gewähren in allem, wonach ihr der Sinn stand. Sie nutzte sein Vermögen, um ihren Hof und ihre Gefolgschaft zu vergrößern, und viele Flüchtlinge aus dem Uruanur fanden bei ihr Unterkunft und Hilfe.

Anfangs hielt Irimar noch brieflichen Kontakt mit dem Hof ihres Vaters, aber bereits nach kurzer Zeit kamen keine Botschaften mehr aus Alcanië, nur noch Gerüchte über Gräueltaten und Schrecken, die die Flüchtlinge mitbrachten. Eines Tages kamen drei zerlumpte Wanderer zu Irimar, und sie berichteten, dass Alcanië nun menschenleer, König Asrondor tot und der Blutgeist verschwunden seien. Neben dieser Nachricht brachten die drei noch einen Splitter des Irluth Trul, des Blutsteins, mit sich, der seit den legendären Tagen des Vorkönigs Uruan das Zeichen und das Werkzeug der königlichen Herrschaft gewesen war, und da wusste Irimar, dass ihr Vater wahrhaftig gestorben war und das Reich des Uruanur sein Ende gefunden hatte.

Sie beriet sich mit den Weisen ihres heimatlosen Volkes, und gemeinsam erwogen sie die Möglichkeiten, das Verlorene wiederherzustellen und das Reich neu aufzurichten, doch schließlich wurde diese Hoffnung, nicht zuletzt aufgrund des zerstörten Blutsteins, verworfen. So bemühte sich Irimar weiterhin ihre Machtbasis in Izmë auszubauen und ihren Einfluss weiter zu vergrößern. Tuligast, der im Alter eher ruhigeren Gemütes war, nahm an den Bestrebungen seiner jungen Frau immer weniger Anteil, und bald wurden die beiden einander fremd. Nur wenige Jahre nach dem Fall des letzten Uruanurkönigs starb der edle Tuligast einsam und verbittert. Dieses Ereignis brachte Irimars Aufstieg zu einem jähen Ende. Durch den Tod ihres Mannes wurde sie vieler wichtiger Verbindungen in Izmë beraubt. Manche ihrer ehemaligen Freunde beschuldigten sie nun, ihren Gemahl in den Tod getrieben zu haben. Andere fürchteten ihren Ehrgeiz und die wachsende Stärke ihrer Gefolgschaft. Schon mehrten sich die Spannungen zwischen den eingesessenen Bürgen Izmës und den zugezogenen Uruern, so dass die Lage der Flüchtlinge mehr und mehr untragbar wurde.

In dieser Lage kam es gerade gelegen, dass Irimar gute Kontakte zu einigen Herrschern im Land Asmarin, südlich von Izmë, besaß. Nach dem Zusammenbruch der cerinischen Verwaltung waren die ehemaligen Provinzen zersplittert in eine Vielzahl kleiner Fürstentümer, die stetig um Macht und Land rangen. Einer der mächtigsten dieser Fürsten war ein gewisser Mulicho, der Nachkomme eines cerinischen Statthalters. Mulicho nannte weite und fruchtbare Landstriche am Selm sein Eigen. Außerdem erhob er Anspruch auf den Wald von Erim, doch ohne dies wirklich durchsetzen zu können. Mit seinen Nachbarn im Norden, der kaum weniger mächtigen Familie der Lusani, lag Mulicho unablässig im Krieg, doch während die Lusani über einen unerschöpflichen Nachschub an Menschen und Gütern zu verfügen schienen, sah Mulicho seine Kräfte allmählich schwinden. Die Lage spitzte sich zu, als die Stämme der Nain im großem Erim damit begannen, Überfälle auf sein Territorium zu unternehmen. Diesem neuen Feind konnte er unmöglich Herr werden, ohne sich an der anderen Front gegen die Lusani entscheidend zu schwächen.

So befand sich Fürst Mulicho gerade auf der verzweifelten Suche nach Verbündeten, als Irimar, die junge Witwe, wiederum nach einer neuen Heimat Ausschau hielt. Irimar täuschte zunächst mäßiges Interesse vor und verhandelte hart, doch schließlich wurde ein Bündnis geschlossen, mit dem beide Seiten gut leben konnten.

Irimar sammelte alle Getreuen um sich, die mit ihr kommen wollten, und zog mit ihnen nach Asamaren. In den Waldlanden ein gutes Stück östlich des Selm ließen sie sich nieder, in einem Landstrich, der später das Feld genannt wurde. Irimar wurde zur Fürstin dieses Landes, und sie war die Bundesgenossin, nicht jedoch die Vasallin des Fürsten Mulicho. Zur Besiegelung des Bündnisses ehelichte Irimar Tinso, einen Sohn des Mulicho.

So hatte Fürst Mulicho mehr als die Hälfte seines Reiches an Irimar abgetreten, doch ein geringer Verlust erschien ihm dies zunächst. Die Waldstämme hatte er nie wirklich zu beherrschen vermocht, und schließlich waren diese eher zu einer schweren Belastung geworden. Viel besser war es da, eine Verbündete an der östlichen Grenze zu wissen, während er sich nunmehr mit seiner ungeteilten Kraft dem Feind im Westen zuwenden konnte.

Eine unabhängige Fürstin Irimar beunruhigte Mulicho wenig. »Ihr Volk ist gering an Zahl«, sagte er zu seinen Beratern, »und sie wird zunächst genug damit zu tun haben, die wilden Stämme der Nain zu befrieden.« Doch hier irrte er, wie sich bald herausstellen sollte.

Der große Erim erinnerte die Uruer an ihre alte Heimat, und wenn auch ein großer Teil ihrer Zaubermacht und ihres Wissens verloren war, so waren sie doch immer noch die Erben einer der ältesten Zivilisationen der Welt. Bei den Nain, die ursprünglich aus den Ländern bei Darë stammten, waren noch viele Erinnerungen an den Uruanur in Sagen und Geschichten lebendig, und die meisten der Waldstämme, die selbst den Ceriniern getrotzt hatten, unterwarfen sich bereitwillig der Erbin der alten Könige. So blühte die Kultur auf dem Feld auf, und nach wenigen Jahren reichte Irimars Macht vom Selm bis zur Alder, von der Bergkette der Alamaren bis zu den Esselhöhen. Die Ortschaft Arn, bisher ein unbedeutendes Dorf, eine Ansammlung windschiefer Hütten, die sich um einen Schrein des Gottes Nár scharten, wuchs allmählich zu einer großen Stadt mit einer Burg und Tempeln aus Stein.

Von Tinso empfing Irimar einen Sohn, der Morinon genannt wurde, und zwei Töchter, die Zwillinge Ludia und Marellia. Morinon wuchs zu einem kräftigen jungen Mann heran, der nicht weniger willensstark als seine Mutter war. Ihre Klugheit hatte er allerdings nicht geerbt. Abwartendes Vorgehen und Diplomatie waren nicht seine Sache; er war ein Mann der Tat, und als mächtiger Krieger, nach Art der Taránier mit einer großen Axt bewaffnet, machte er sich schnell einen Namen. Die Zwillingsschwestern hingegen waren von Geburt an schwach und kränklich, und sie fanden auch beide ein allzu frühes Ende im Kindbett. Fürstin Irimar stärkte ihre Position, indem sie Mariella dem Stadtkönig von Oador und Ludia einem Abkömmling der Oronti in Lychburg zur Frau gab, doch Mariellas Sohn wurde tot geboren und Ludias Tochter lebte nur wenige Wochen, bevor sie ihrer Mutter ins Grab folgte.

Irimar hatte schon im Uruanur den Beinamen ›Tochter der Adia‹ getragen, was bedeutete, dass sie eine Priesterin der Göttin Erenna war, denn Adia war ein Name der Erenna, wie er im Uruanur gebräuchlich war. Aufgrund dieses Beinamens nannte man nun Irimars Familie die Adier, und diesen Namen behielt das Geschlecht für viele Generationen.

In der Zwischenzeit lief für Fürst Mulicho der Zermürbungskrieg gegen die Lusani schlecht. Mehrmals musste er sich Atempausen durch, für ihn sehr ungünstige und stets kurzlebige Friedensschlüsse, erkaufen, so dass er mehr und mehr Ländereien an seine Feinde verlor. Am Ende rettete ihn nur die Tapferkeit und Kraft seines Enkels Morinon, der für ihn in die Schlacht zog und schnell zum Volkshelden in den Ländern am Selm wurde.

Im besonders grimmigen Winter des Jahres 2349 starb Fürstin Irimar. Ihrem Sohn Morinon ging zwar ihr feiner Verstand völlig ab, doch zeigte er nun eine unerwartete Schläue und Skrupellosigkeit. Binnen weniger Tage räumte er alle möglichen Widersacher aus dem Weg und setzte sich zum Fürsten und unumschränkten Herrscher des Erim ein.

Wenig später starb auch der betagte Fürst Mulicho, und seine beiden ältesten Kinder Inis und Omerto stritten erbittert um die Nachfolge. Morinon erkannte die Gelegenheit und marschierte mit einer großen Streitmacht in das ehemalige Reich seines Großvaters ein. Das Volk, des Streits überdrüssig und eingedenk Morinons heldenhaften Einsatzes im Krieg gegen die Lusani, feierte ihn als Retter und Friedensbringer. Morinon sandte Boten zu den verfeindeten Geschwistern und lud sie zu einem Treffen. Notgedrungen mussten Inis und ihr Bruder Omerto der Einladung Folge leisten, wenn sie nicht auch den letzten Rückhalt in ihrem Volk verlieren wollten. Einmal in seiner Gewalt, ließ Morinon die beiden gefangen nehmen, klagte sie des Verrats und der Verschwörung mit den Lusani an und ließ sie nach kurzem Prozess öffentlich hinrichten. So brachte er im Handstreich auch das Reich seines Großvaters an sich.

Sein Reich umfasste nun vier Verwaltungsbezirke: Erim, Selmland, Alderland und Narelien. In der Folgezeit breitete sich der Bezirk Alderland immer weiter nach Westen aus, und nach der Eroberung von Ahlsungen und Narach reichte er bis zum Fluss der Könige.

Die Lusani in der fruchtbaren Ebene von Asmagund sahen die Entwicklung mit Besorgnis und intensivierten ihre diplomatischen Bemühungen. Nach dem Tod von Morinons Schwestern gelang es ihnen, Bündnisse mit Lychburg und Oador zu schließen, so dass sich Arn nunmehr isoliert vorfand. Das Oberhaupt der Lusani, Brenno, nahm den Titel König von Asmagund an und trug eine Krone und ein Zepter aus Gold.

Morinon reagierte auf die letztere Nachricht mit Erheiterung, doch zögerte er nicht lange und ließ sich seinerseits im Jahr 2351 zum Hochkönig von Arn und unumschränkten Herrscher salben. Im übrigen kümmerte ihn zunächst wenig, dass er ringsum von Feinden umgeben war, doch mit der Zeit machte sich vor allem der Abfall des Fürsten von Lychburg, mit dem man lange in Freundschaft verbunden gewesen war, bemerkbar. Ohne den Zugang zum Meer war Arn praktisch von allen wichtigen Handelsrouten abgeschlossen. Einzig die Gewürzstraße über den Alamarenpass ermöglichte in begrenztem Maße den Handel mit den Städten in Rauhen. Dem einfachen Volk machte dies wenig aus, denn die Ernten waren reichlich und es litt keine Not, aber ohne geeignete Einnahmequellen leerte sich König Morinons Schatzkammer mit beängstigender Geschwindigkeit. Morinon verfügte über ein großes Heer, konnte dies jedoch nicht mehr sehr lange unterhalten. Er löste das Dilemma auf die ihm eigene praktische Art: Er sandte Unterhändler nach Lychburg, und als diese - erwartungsgemäß - zu Schaden kamen, war ihm dies Anlass genug für eine umfangreiche Rettungsmission. Mit einem stattlichen Heer überschritt er die Esselhöhen, fiel ohne Vorwarnung in die Ebene von Leranen ein und plünderte die Orte an den Unterläufen von Selm und Alder. Fürst Ortwin von Lychburg setzte zu einem schneidigen Gegenangriff an, der jedoch ohne große Schwierigkeiten abgeschlagen werden konnte. Fürst Ortwin wurde gefangengenommen.

König Morinon nahm nun nach einer alten Sitte aus dem Uruanur einen Thronnamen im Nermenta an, und er nannte sich Alyn-Fatarù, wörtlich ›König Eroberer‹, und feierte die Eroberung von Leranen mit einem großen Gelage am Ufer des Selm. Durch die Plünderungen war die Kriegskasse prall gefüllt, und der Weg zur Küste war so gut wie frei.

Nach dem Ende der Feierlichkeiten setzte das Heer des Hochkönigs über den Selm und rückte auf Lychburg vor. Boten wurden vorausgeschickt, welche die Kapitulation der Stadt und hohes Lösegeld für den Fürsten Ortwin einforderten. Ortwins Tochter Isilde, die frisch ernannte neue Fürstin von Lychburg, machte in ihrer Antwort deutlich, dass ihr Vater ruhig dort verbleiben sollte, wo er gerade war, nämlich in Gefangenschaft, und sie nicht einen Heller für seine Freilassung zu bezahlen gedenke. Die Aufforderung zur Kapitulation bezeichnete sie als lächerlich, bot jedoch ihrerseits Friedensverhandlungen auf Augenhöhe an.

König Morinon nahm diese Antwort finsteren Blickes entgegen, ließ dem nunmehr ehemaligen Fürsten Ortwin den Halsring der Sklaven umlegen, teilte ihn zur Latrinenreinigung ein – und setzte seinen Vormarsch fort. Vor Lychburg angekommen, musste er hingegen erkennen, dass die Stadt von einer hohen, uneinnehmbaren Steinmauer umgeben war, und sah von einer Erstürmung ab. Stattdessen ließ er einen Palisadenzaun rings um die Stadt ziehen und begann eine Belagerung.

Monate gingen ins Land, doch die Bürger von Lychburg zeigten keine Bereitschaft aufzugeben, vielmehr verspotteten sie die Belagerer, denn der Hafen der Stadt war nach wie vor frei und außerhalb König Morinons Reichweite. So war die Versorgung Lychburgs nach wie vor ausgezeichnet, während sich die Lage der Belagerer mehr und mehr verschlechterte, als der Winter heranrückte, denn ihr Hinterland war die vom Krieg verwüstete Ebene von Leranen. Überdies war ein Heer aus Asmagund im Anmarsch, welches König Brenno von den Lusani ausgeschickt hatte.

So sah sich Hochkönig Morinon letztlich doch zu eiligen Friedensverhandlungen mit Fürstin Isilde genötigt. Er zog sich mit seinem Heer wieder hinter die Esselhöhen zurück und überließ das verwüstete Leranen dem Fürstentum Lychburg. Im Gegenzug wurde ihm freier Handel über die Stadt gewährt. Der bedauernswerte Ortwin verblieb, auf ausdrücklichen Wunsch seiner eigenen Tochter, zeitlebens in Gefangenschaft Morinons.

König Brenno schickte sein Heer den Leuten aus Arn hinterher, wandte sich mit einer kleineren Abteilung jedoch nach Lychburg, wo er zunächst freundlich empfangen wurde. Der Friedensvertrag der Fürstin Isilde entsprach jedoch nicht seinen Interessen, und er machte ihr Vorhaltungen deswegen. Selbstbewusst wies sie jede Einmischung in ihre Angelegenheiten zurück und meinte, sie wolle im Streit zwischen Asmagund und Arn neutral bleiben. Sie dankte König Brenno für seine Hilfe, doch forderte ihn gleichzeitig dazu auf, sein Heer umgehend nach Asmagund zurückzuführen.

Brenno war jedoch noch nicht geneigt, sich der Fürstin zu beugen. Noch hatte er viele Freunde in Lychburg, und mit ihrer Hilfe stürzte er die kühne Isilde und ließ sie nach cerinischer Sitte kreuzigen. Urath von den Tumi, ein Günstling Brennos, wurde Fürst von Lychburg und Vasall des Königs von Asmagund.

Isildes Schwester Erina entkam mit knapper Not und floh nach Arn. Dort bat sie den Hochkönig um Hilfe, die dieser auch gerne gewährte. Erneut führte Morinon sein Heer über die Esselhöhen und stellte Brennos Streitmacht zur Schlacht am Espenfeld. Nach mehrtägigem Gefecht gelang es hier schließlich die Feinde zu bezwingen und bis zum Selm zurückzutreiben. Am Selm jedoch geriet der Vormarsch ins Stocken, denn das Westufer des Flusses hatten die Krieger aus Asmagund befestigt. So hatte König Morinon seinen Feind Brenno zwar geschlagen, aber noch nicht endgültig niedergerungen, und so begann der Krieg um das Fürstentum Lychburg, der zwanzig Jahre andauern und in dieser Zeit nie ganz zur Ruhe kommen sollte. Weder Morinon noch Brenno wollten ihre eigenen Länder am Oberlauf des Selm verwüsten, und so beschränkten sich die Kämpfe stets auf das Land des Fürsten Urath.

Hochkönig Morinon wurde bei der Schlacht am Espenfeld verwundet, und lange Zeit lag er im Fieber darnieder. Schließlich genas er von dem Fieber und erhob sich von seinem Krankenlager, aber seither humpelte er und seinem Waffenarm gebrach es nun an der einstigen Kraft und Geschicklichkeit. Nie mehr wieder ritt er selber in Kampf, und er gab sich mehr und mehr dem Trunk und der Völlerei hin.

Schon früh drängten seine Berater den Hochkönig dazu, zu heiraten und Erben in die Welt zu setzten, doch wollte er davon nichts hören. Er liebte den Kampf und das Leben im Feldlager, und auch wenn er sein Lager oft mit der einen oder anderen Hure teilte, so schenkte er doch keiner Frau sein Herz und gedachte sich nicht an eine zu binden. Allerdings rief er eine seiner Kurtisanen häufiger zu sich, als alle anderen. Dies war ein Mädchen vom Volk der Nain, Nirsale mit Namen. Zur Zeit des Geschwisterstreits im Selmland ging Nirsale schwanger und schenkte einem Sohn das Leben, den sie in der Sprache ihres Volkes Nal nannte. Mit der Zeit mochte Morinon das Drängen seiner Berater nicht mehr länger ertragen, und, um sie zum Schweigen zu bringen, nahm er Nal, als dieser fünf Jahre alt war, nach cerinischer Sitte als seinen leiblichen Sohn und Erben an. Er gab ihm den Namen Formandil, da ihm der Nain-Name Nal für einen Prinzen zu gewöhnlich klang.

Hochkönig Morinon starb, noch ehe der Krieg um Lychburg beendet war. Nach einer durchzechten Nacht im Feldlager erstickte er an seinem eigenen Erbrochenen. Öffentlich jedoch wurde verkündet, der König habe keine Ruhe gefunden und sich letztendlich für die Befreiung Lychburgs aufgerieben.

Formandil bestieg nun den Thron und nahm sogleich den Thronnamen Alyn-Gollossar, ›König der Krieger‹, an, und nach Jahren der Trägheit kehrte neue Tatkraft in das Heer von Arn ein. Der neue Hochkönig wusste die Feinde König Brennos um sich zu scharen. Mit Gold und vielen anderen Geschenken erkaufte er sich die Unterstützung der unabhängigen Barone im Almoth und stachelte sie zum Krieg gegen die Asmagunder auf. Gleichzeitig erhoben sich in Lychburg die Freunde der Oronti gegen den Fürsten von Asmagunds Gnaden. Die Verwirrung in den Reihen der Feinde nutzte Formandil für eine erneute Offensive. In diesem Frühjahr wurden die Asmagunder vom Selmufer und aus dem Ertenwald vertrieben. Doch Formandil machte an der Grenze des Fürstentums Lychburg nicht halt, und marschierte in die Fallane ein und schlug auch hier die Feinde in zwei großen Schlachten.

König Brenno war nun in arger Bedrängnis, doch weigerte er sich, die Niederlage anzuerkennen und ordnete die Aushebung weiterer Truppen an. Die anderen Mitglieder der Lusani-Familie sahen ihre Stellung und ihr Leben durch den Starrsinn Brennos in ernsthafter Gefahr, allen voran seine eigenen Söhne. Sie stellten ihren Vater zur Rede, und unter hernach nie ganz geklärten Umständen gab es bei dieser Gelegenheit einen tragischen Unfall, durch welchen König Brenno zu Tode kam. Die Erben nahmen unverzüglich Verhandlungen mit Hochkönig Formandil auf.

König Formandil, der Hurensohn Nal, war jetzt der unumschränkte Herrscher im weiten Land zwischen den Alamaren und dem Meer, und nun begann er damit sein Reich zu ordnen und ihm nach den langen Kämpfen Stabilität zu verleihen. Vor Jahren hatte er die jüngere Tochter Erinas, Aralia zum Weib genommen, und ihre gemeinsame Tochter war Adis, die Kronprinzessin. Doch wenige Tage nach der Geburt war Aralia verstorben und hatte ihn verwitwet zurückgelassen. Aralias älterer Bruder Bastomet wurde nun Fürst von Lychburg, und alles Land zwischen den Almothhöhen, den Esselhöhen und der Alder war sein Fürstentum, doch war er wiederum Vasall des Hochkönigs in Arn. Im Vertrag von Pirberg wurde niedergelegt, auf welche Weise die Fürstentümer Lychburg, Asmagund und Fallane in das Reich von König Formandil eingegliedert wurden, und diese Beschlüsse bestimmten letztendlich die Struktur des ganzen Reiches, denn als später die Länder Redrien, Alderland und Branjoch zu Fürstentümern wurden, orientierte man sich an den Regelungen, die schon für die anderen existierten.

Die Fürsten erkannten die Oberhoheit des Hochkönigs an, auch wenn seine Möglichkeiten, Einfluss zu nehmen, eng begrenzt waren und auch später nur selten genutzt wurden. Zumeist handelten die Fürsten wie eigenständige Herrscher, und ihre Abhängigkeit beschränkte sich auf jährlichen Tribut, den sie nach Arn senden mussten, und die Unterstützung des Königs in Kriegszeiten. Nach der späteren Gründung des Fürstentums Redrien umfasste der direkte Herrschaftsbereich des Hochkönigs so in der Tat nur das Feld, auch wenn er in Redrien immer noch erheblich mehr Einfluss besaß als in den anderen Fürstentümern.

Formandil heiratete nun Lianna von den Lusani, die jüngste Tochter des verstorbenen König Brenno. Ihre älteren Geschwister Stephan der Kahle und Noriëlla wurden Fürst von Asmagund und Fürstin der Fallane, denn das Königreich der Lusani wurde nun in diese beiden Länder aufgeteilt.

Mit seiner zweiten Frau hatte Formandil drei Kinder: Irmand, Irjama und Alpeton. Doch hatte Formandil nur wenig Zeit für ein ruhiges Familienleben. Die meiste Zeit war er damit beschäftigt, die Ruhe in seinem Reich aufrechtzuerhalten. Die freien Barone im Almoth, die ihn im Kampf gegen die Lusani unterstützt hatten, forderten nun weitere Zahlungen, und als diese ausblieben, unternahmen sie Überfälle in die Fallane und das Fürstentum Lychburg. Nur mit Mühe waren die wilden Krieger von den Höhen immer wieder zurückzuschlagen. Nicht weniger gefährlich war die Bedrohung im Osten des Reiches, wo die Stadtkönige von Oador und Ardian bestrebt waren, ihren Einflussbereich auf Kosten des Hochkönigs in Arn auszudehnen. Schließlich kam es zum Krieg gegen Oador, und hier fiel König Formandil im Kampf in der Ebene von Alderland.

Seine älteste Tochter Adis wurde nun Königin, und für einige Zeit sah es so aus, als würde das Reich nach dem Tod Formandils auseinanderbrechen. Die Barone im Almoth und die Stadtkönige in Alderland wurden zunehmend kühner, und auch Fürst Stephan von Asmagund und Fürstin Noriëlla von der Fallane begannen gegen die junge Königin aufzubegehren.

Adis sah sich zu schnellem Handeln gezwungen. Sie setzte ihren Bruder Irmand als Fürsten von Redrien ein, um das Kernland zu sichern. Ihren jüngeren Bruder Alpeton sandte sie zu den Fürsten im Westen, deren Widerspruch er im Keim erstickte, bevor er sich dem Almoth zuwandte. Geschickt spielte er die Barone gegeneinander aus und bekam so schließlich den ganzen Almoth unter seine Kontrolle. Hier gründete er das Fürstentum Branjoch.

Königin Adis selbst übernahm die Führung der Streitmacht in Alderland und den Kampf gegen die Stadtkönige. Sie verfolgte hier eine ähnliche Strategie wie ihr Bruder im Almoth: Es gelang ihr ein Bündnis mit dem Stadtkönig von Ardian, einem Abkömmling der Voraniden, zu schließen und den Stadtkönig von Oador so zur Aufgabe zu zwingen. Der Voranide wurde mit Königin Adis Schwester Irjama vermählt und erhielt die ganze Weite von Alderland als Fürstentum.

So festigte Königin Adis das Reich, und ihre späten Jahre waren eine Zeit der Blüte und des Friedens für ganz Arn. Nachdem ihre Machtposition gesichert war, nahm Adis wie ihre Vorgänger einen Thronnamen in der alten Sprache des Uruanur an; sie nannte sich Alyn-Mandarù, die ›siegreiche Königin‹.

Königin Adis hatte zwei Söhne, Edmund und Johan. Sie waren Zwillinge, wenngleich von völlig unterschiedlicher Disposition: Edmund war wild und aufbrausend, unternehmungslustig und so eigensinnig, dass ihn kaum einer je mit klugem Rat zu lenken vermocht hätte. Johan hingegen war ruhig und nachgiebig. Während Edmund Waffenübungen, Ausritte und Jagden liebte, zog Johan die Stille der Bibliothek und des Schlossgartens vor. Er zeigte schon früh Talent für die magischen Künste und wurde später ein Großer im Rat von Surn. Daher wurde er auch Johan der Zauberer genannt.

Johan heiratete Salia Tesalla eine Tochter Stephans des Kahlen, des Fürsten von Asmagund und Oberhauptes der edlen Lusani. Sie gebar ihm zwei Kinder, den Sohn Osvald und die Tochter Alisa, die später die Schöne genannt wurde.

Edmund trieb die Ruhelosigkeit immer weiter hinaus, bis er schließlich mit einem Schiff auf Entdeckungsfahrt im Meer der Mittagssonne ging und nie mehr zurückkehrte. Dies war ein harter Schlag für Johan. Zum Einen hatte er seinen Bruder innig geliebt und fürchtete um sein Wohlergehen. Zum Anderen war Edmund der Ältere von ihnen gewesen und niemals hatte in Frage gestanden, dass er später König werden sollte. Doch es war anders gekommen, und als Königin Adis starb, musste Johan widerwillig seine magischen Studien aufgeben und den Thron von Arn besteigen. Die Brüder und Schwestern im Rat von Surn mochten keinen weltlichen Herrscher in ihren Reihen haben, und so verlor er auch seinen Sitz unter ihnen.

Es heißt, König Johan habe sich zeitlebens als Stellvertreter und Statthalter seines Bruders angesehen. So widerwillig, wie er den Thron bestiegen hatte, nahm er auch die damit verbundenen Pflichten an, und mit der Zeit wälzte er alle Aufgaben an seine Vertrauten ab, soweit dies irgend möglich war, und zog sich mehr und mehr zurück.

Ein Turm der Königsburg in Arn war ganz Johans magischen Studien vorbehalten, und hier verbrachte er oft ganze Tage, ohne dass ihn irgendeiner am Hofe zu Gesicht bekam. »Johan der Zauberer lebt in einer anderen, eigenen Welt«, sagten die Leute, »von der unsrigen hat er sich längst abgewandt.«

In späterer Zeit wurden die Jahre König Johans als eine Zeit der Stagnation und des Niederganges angesehen, und es spricht für die Leistungen seiner Vorgänger, dass das Reich keinen ernsthaften Schaden dabei nahm. Mehr und mehr übernahmen die Kanzlerin Valeria und Johans Sohn Osvald die Regierungsgeschäfte.

Für Johan wurde die Suche nach seinem verschollenen Bruder zu einer fixen Idee, der er letztendlich seine ganze Aufmerksamkeit widmete. Eines Tages zog er sich in seinen Turm zurück und kehrte für mehrere Monde nicht zurück. Bereits wurde in Erwägung gezogen, den König für tot zu erklären, doch schließlich kehrte er gegen alle Hoffnung zurück, aber er wirkte nun abgezehrt und erschöpft wie von einer langen Reise. Auch wirkte nun vollends geistesabwesend und antriebslos, und er nahm keinen Anteil mehr an dem höfischen Leben. Selbst über die Themen, die ihn früher interessiert hatten, wie die Zauberei und die Suche nach seinem Bruder, sprach er nicht mehr. Den Turm des Zauberers betrat er seither nicht mehr, und auch hernach wagten sich nur wenige dort hinein und sie wurden nicht wieder gesehen. Niemand weiß daher, welche Geheimnisse immer noch in Johans Turm verborgen sind.

König Johan war jetzt offensichtlich ein gebrochener Mann, und auch wenn er noch viele Jahre lebte, so regierte an seiner Stelle und in seinem Namen bereits sein Sohn Osvald.

Osvald schlug in jungen Jahren ganz nach seinem Onkel Edmund, und besonders liebte er die Seefahrt und erkundete viele fremde Länder und Küsten. Zunächst begnügte er sich damit, die Küste Lauretiens nach Norden und Süden abzufahren, doch bald schon führten ihn seine Reisen hinaus auf das Meer der Mittagssonne, und von Krain brachte er Sklaven mit und aus Cerinia viele exotische Waren. Seine Abenteuer wurden Gegenstand vieler, mehr oder weniger romantischer Geschichten, die im Volk die Runde machten. Die bekanntesten davon waren Prinz Usvald und die Perle von Aven und Prinz Usvald und das Schloss der tausend Türen. Gewiss war wenig Wahres an diesen Geschichten. Sicher ist jedoch, dass Osvald von einer Reise in den Westen eine junge Frau aus Aven an der fernen Küste Moragonds mitbrachte: die bezaubernde Marisa. Sie war seine Geliebte und später seine Frau.

Bei einem Überfall der wilden Ainad von den Inseln Irmhorn und Forthor auf die Küste des Almoth wurde mit einigen anderen auch Osvald gefangengenommen und als Sklave nach Irmhorn gebracht. Als seine Abkunft bekannt wurde, verlangte der Fürst der Ainad, ein gewisser Brandor Niolhed, ein hohes Lösegeld von König Johan. Osvalds Vater zögerte nicht und zahlte die geforderte Auslöse, und so kehrte Osvald nach einem knappen Jahr der Sklaverei wieder nach Arn und in die Freiheit zurück. Zunächst ließ er ein Steinbild an der Stelle errichten, wo er entführt worden war, und mit einem feierlichen Blutopfer schwor er hier bittere Rache für seine Leiden und seine Schmach. Wenige Jahre später rüstete er eine Flotte und überzog die Ainad von Irmhorn mit Krieg. Nie zuvor hatten die Menschen des Festlandes gewagt, die Insel anzugreifen, und in ihrem eigenen Land, wo sie nicht zuschlagen und sich schnell wieder zurückziehen konnten, waren die Ainad-Krieger keine ebenbürtigen Gegner für die schwerbewaffneten Soldaten aus Arn. Osvald selbst stellte Brandor Niolhed und schlug ihm mit eigener Hand den Kopf ab. So wurde Irmhorn zum Fürstentum des Königreiches, und ein Gefährte Osvalds, Pilgur von den Oronti, wurde der erste Fürst der Insel, betraut mit der Aufgabe, die wilden Ainad zu bezähmen.

Im Anschluss unternahm Osvald einen Angriff auf Forthor, doch dieser scheiterte, und so nahm er davon Abstand, auch diese Insel zu erobern.

Mit den Jahren jedoch wurde jedoch auch Prinz Osvald ruhiger, und als er sich noch in der Regierungszeit seines Vaters, gemeinsam mit Kanzlerin Valeria um die Regierungsgeschäfte kümmern musste, war es mit den Reisen und Abenteuerfahrten ohnehin vorbei. Er heiratete seine langjährige Geliebte Marisa, und aus dieser Verbindung gingen zwei Kinder, Telemna und Harald hervor.

Als der alte König Johan starb, ging der Übergang ohne Erschütterungen vonstatten, hatte doch der neue König Osvald auch schon lange zuvor die Geschicke des Reiches gelenkt.

In den letzten Jahren von König Johans und den ersten von König Osvalds Herrschaft kam es verstärkt zu Kämpfen an der nördlichen Grenze zwischen Asmagund und Mestmaren, doch danach folgten viele Jahre des Friedens, auch wenn in dieser Zeit die Spannungen mit den Nachbarn im Süden, insbesondere in Erida, immer stärker zu Tage traten.

Osvald waren als Hochkönig nur wenige Jahre vergönnt. Nach einem ausgedehnten Bankett klagte er über Leibschmerzen und zog sich zur Ruhe in sein Gemach zurück, um sich nie wieder von seinem Lager zu erheben. Er starb noch in derselben Nacht vor Schmerzen brüllend.

Als Schuldige wurden schnell die Köche des Königs ausgemacht, die von Agenten aus Erida dazu gedungen worden waren, dem König Gift in sein Essen zu mischen. Die Köche wurden hingerichtet, während Protestnoten zur Stadtherrin von Erida in der Irenaika geschickt wurden.

Königin Telemna, Osvalds Erbin, hatte von ihrer Mutter die Schönheit und die zierliche Statur geerbt. An Eigensinn und Stolz stand sie ihren königlichen Ahnen jedoch nicht nach. Anfangs wurde sie daher Telemna die Kühne genannt, später jedoch Telemna die Kriegerin, denn die Spannungen mit Erida mündeten nun in einem großen Krieg, der viele Jahre dauerte und die vormals fruchtbare Irenaika verwüstete. Am Ende wurden die mit Erida verbündeten Südländer besiegt und aus Efraskien, der Irenaika und dem nördlichen Golmur vertrieben. Viele starben auf beiden Seiten in diesem Krieg, und bei der letzten Entscheidungsschlacht fiel auch die junge Königin Telemna. Sie war kinderlos geblieben, doch ihr Bruder Harald, der ebenfalls erschlagen worden war, hinterließ zwei Kinder, Angmund und Lydia.

Der erstgeborene Angmund war bei seiner Thronbesteigung jünger, als Telemna gewesen war, und er sollte so viele Jahre regieren, dass er später der Alte genannt wurde. Seine jüngere Schwester Lydia wurde Fürstin des neu gegründeten Fürstentums Efraskien, und in Yuskor, dem neuen Fürstensitz, begründete sie die stolze Familie der Lydier.

Angmund sah zunächst von weiteren Kriegen und Eroberungen ab und sicherte, was seine Vorgängerin gewonnen hatte. In Golmur wurde der Große Wall errichtet als Bollwerk gegen die Südländer, die in der Folgezeit regelmäßige, wenn auch halbherzige Angriffe unternahmen.

Anfangs trat König Angmund als energischer und willensstarker Herrscher auf. Konflikte zwischen Asmagund und den Städten Mestmarens mündeten in mehreren Kriegszügen, die Angmund zeitweise sogar selbst anführte. Die Kriege führten schließlich dazu, dass Troben und Izmë sowie einige andere Städte zwar ihre Unabhängigkeit behielten, jedoch regelmäßige Tributzahlungen an den Hochkönig von Arn und den Fürsten Asmagunds zu leisten hatten.

So hatte der König seine Macht gesichert, und sein Reichtum wuchs, insbesondere durch die Erträge der Irenaika und die Tribute der unterworfenen Städte. Dies war zweifellos die größte Zeit der Reiches. Der Hochkönig herrschte in einem Prunk, den sich seine Vorväter nicht hätten erträumen können. Arn und das Feld gediehen, und der Handel über die Gewürzstraße und die Häfen von Laech, wie das alte Lychburg mittlerweile genannt wurde, Oador, Ardian und Yuskor blühte auf. Als Angmunds Schwester Lydia im Norden das Reich Aurelien gründete, entstand damit gewissermaßen eine Kolonie und ein starker Bundesgenosse des Königreiches Arn.

Doch mit der kulturellen Verfeinerung und dem Reichtum kam auch die Trägheit nach Arn, und bald kümmerte man sich nur noch wenig um die Geschicke in den sechs Fürstentümern. So schwand auch der Einfluss des Königs außerhalb Redriens. Hier regierte mit dem Fürsten Arthur Langnase ein Sohn König Angmunds, und so wurde es in der Folgezeit stets gehalten, dass der Kronprinz des Reiches Fürst von Redrien war. Aber der einzige Landstrich in Redrien, der gedieh war das Feld, und das war allein Land des Königs. Der Rest Redriens wurde mehr und mehr zum halbverwilderten Umland des Feldes, in dem abseits der großen Handelsstraßen nicht mehr viele Menschen lebten.

Zwischen den anderen Fürstentümern nahmen die Spannungen zu. Efraskien, Alderland und vor allem Asmagund wurden reich, während Branjoch und Irmhorn, die wenig von den neueren Entwicklungen profitierten, verarmten.

Angmund war zeitlebens den Sinnenfreuden nicht abgeneigt und zeugte viele Kinder, die meisten waren Bastarde ohne Rang, doch seine Gemahlin Johana von den Eleni gebar ihm vier Kinder, die er als Abkömmlinge der Adier anerkannte. Dies waren Arthur Langnase, der Erstgeborene und langjährige Fürst von Redrien, Felicia die Schöne, Adis die Stolze und Esgalda. Letztere hatte bei einem Unfall in früher Kindheit ein Auge verloren und wurde daher auch die Einäugige genannt. Sie heiratete Stephan von den Oronti, den Fürsten von Branjoch. Ihre beiden Schwestern waren unterschiedlicher, wie sie nur sein konnten: Adis war großgewachsen, stolz im Auftreten und mit einem großen Ehrgeiz versehen. Felicia hingegen war eher zierlich, mit einem feinen Gesicht und einer entzückenden Sprunghaftigkeit. Sie machte gerne Ausflüge in den Wald, und es heißt, eines Tages wäre sie dort tatsächlich einem Elben begegnet, mit dem sie sich fortan zu regelmäßigen Stelldicheins traf. Den Gerüchten zufolge war dieser Elb auch der Vater von Felicias erstgeborenem Sohn Philipp, der zu einem hübschen Jüngling heranwuchs. Für einige kurze Jahre war Philipp der Liebling des Hofes und der ganzen Stadt: schön und wohlgestalt, freundlich und abenteuerlustig. Viele träumten schon davon, was für ein König Felicias Sohn später werden könnte, denn ihr älterer Bruder Arthur blieb kinderlos, doch hatte Philipp von seiner Mutter auch die Vorliebe für Wanderungen im Wald und die Riten des Gottes Nár geerbt. Offenbar übertrieb er es etwas mit dem Gebrauch des ilarith, einer elbischen Droge, die Visionen und Traumgesichte hervorrief. Eines Tages wichen die Visionen nicht wie üblich nach gewisser Zeit sondern blieben, und sein Verstand blieb umnebelt und im Wahn gefangen. So wurde er fortan Philipp der Wahnsinnige genannt.

König Angmund entschlief friedlich eines Abends am Kaminfeuer in seinem einundachtzigsten Lebensjahr. Sein Erbe war von Rechts wegen sein erstgeborener Sohn Arthur, doch dieser kam nur einen Tag später unter merkwürdigen Umständen ums Leben. Felicia war bereits vor Jahren gestorben und hatte zwei Kinder hinterlassen, den wahnsinnigen Philipp und Anna Sila, die König Asmund im fernen Aurelien geheiratet hatte. So erhob Adis nun Anspruch auf den Thron ihres Vaters, aber einige einflussreiche Höflinge drängten darauf, Philipp zum König zu krönen. Dieser war nun keineswegs in der Lage, das Reich zu führen, was auch jeder, abgesehen von der Verblendetsten, erkennen musste, und so bekam Adis schließlich ihren Willen und wurde zur Hochkönigin gekrönt. Ihr Sohn Albric trat die Nachfolge des verstorbenen Arthur an.

Zu Königin Adis Verdruss waren ihre Feinde bei Hofe weiterhin geschäftig. König Angmunds ehemaliger Kanzler Thorvid und einige andere bereiteten einen Umsturz vor, um Philipp doch noch auf den Thron zu bringen, aber der Plan kam heraus, bevor sie ihn verwirklichen konnten. Thorvid und die anderen Rädelsführer wurden hingerichtet, Philipp in die Verbannung nach Kyrzand geschickt, wo er kurz darauf ums Leben kam. So hatte die Königin endlich ihre Macht gesichert, wenngleich sie nicht mehr viel Freude daran hatte. Der Kampf um die Macht hatte ihre Kräfte verzehrt, und aus der vormals stolzen Adis war eine müde, kranke Frau geworden. Schon nach wenigen Jahren starb sie an einem Fieber.

Ihr Sohn und Nachfolger Albric war ein mürrischer Mann, weshalb er auch Albric der Grimmige genannt wurde. Manche nannten ihn auch Albric den Kahlen, denn seit seinem zwanzigsten Lebensjahr wuchs kein einziges Haar mehr auf seinem Kopf, doch diesen Beinamen gebrauchten sie nur insgeheim und im Flüsterton, denn Albric war überdies für seine Humorlosigkeit bekannt.

König Albrics Söhne hießen Philipp und Caril. Philipp, der Ältere, wurde Fürst von Redrien, das er anfangs wie seine Vorgänger vom Hofe in Arn aus regierte. Er liebte eine junge Soldatin aus Oador, Aiara Fareste, deren Beiname ›Goldhaar‹ bedeutete, denn ihr Haar, wenn sie es offen trug, glich einem Fluss aus Gold. Philipp war ein schweigsamer und zurückhaltender Mann, und lange trug er schweigend seine Gefühle für sie, bis er, der Kronprinz des Reiches, einige vorsichtige Annäherungsversuche unternahm. Zunächst erwiderte Aiara seine Zuneigung, bis sich Caril, Philipps jüngerer Bruder, einmischte. Nachdem Caril nämlich die unbeholfenen Bemühungen seines Bruders bemerkt hatte, begann auch er, ihr den Hof zu machen. Er war ein gänzlich anderer Charakter als der eher spröde Philipp: selbstbewusst, charmant und ein überaus unterhaltsamer Gesprächspartner. So nahm das Unheil seinen Lauf, und Aiaras Herz wandte sich dem jüngeren Bruder zu. Philipp räumte mürrisch das Feld und zog sich in die abgeschiedene Treburg zurück, fern von Arn und dem Feld, und nur noch für wenige Anlässe kam er zurück an den Hof seines Vaters, und dann nur für kurze Zeit.

Herzog Philipp heiratete Johana von Bastenstein, die Tochter eines unbedeutenden Edelmannes. Sie starb bei der Geburt ihres einzigen Kindes, eines Mädchens, welches Philipp Alcana, die ›stolze Herrin‹, nannte. Die Chronisten vermögen nicht genau zu sagen, was sich dort in Treburg, in der Einsamkeit des Waldes, zugetragen hat, doch hieß es später, eine Sklavin des Fürsten namens Incharis sei eines Nachts heimlich mit einem steinernen Messer durch die Gänge der Burg geschlichen und hätte Philipp, seine Tochter und alles andere Volk in Treburg getötet. König Albric sandte Aiara mit vielen Reitern aus, diese Sklavin zu fangen, doch fanden sie schließlich nur noch einen entstellten Leichnam tief im Wald.

König Albric starb im Jahr darauf an einer Blutvergiftung, die er sich durch einen entzündeten Zahn zugezogen hatte, und sein verbliebener Sohn Caril wurde nun Hochkönig des Reiches. Caril liebte Prunk und großes Gepränge, so dass er bald Caril der Prächtige genannt wurde, und die Pracht seiner Feste und Umzüge war ohne Gleichen, seit die Herrschaft der Cerinier zu Ende gegangen war.

Aiara Fareste, die mittlerweile die Herrin der königlichen Reiter geworden war, heiratete er nicht, und neben ihr hielt er sich eine ganze Reihe von Konkubinen, doch war sie die Mutter seines einzigen anerkannten Sohnes, Rychar.

Die Hochkönige aus dem Geschlecht der Adier

Morinon der Große Alyn-Fatarù 2351-2389
Formandil Hurensohn Alyn-Gollossar 2389-2407
Adis Silberhelm Alyn-Mandarù 2407-2441
Johan der Zauberer 2441-2483
Osvald der Seefahrer 2483-2496
Telemna die Kriegerin 2496-2505
Angmund der Alte 2505-2566
Adis die Stolze 2566-2574
Albric der Grimmige 2574-2595
Caril der Prächtige seit 2595

 

< Zurück zu Das Königreich Arn  

Erklärung: Alle Inhalte auf dieser Homepage, insbesondere die Texte, sind urheberrechtlich geschützt und verbleiben Eigentum der Autoren. Eine Veröffentlichung (auch auszugsweise) bedarf der ausdrücklichen Genehmigung der Autoren.