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»Keine schönen Dinge. Doch einiges will ich dir erzählen, alter Freund. Einiges will ich dir erzählen von den Ländern am Bortischen Meer.«

Eraine zum Wirt des Gasthofs in Karnatium

Lauretien

Lauretien grenzt im Norden an den Rand von Ilar, der Welt unter der wärmenden Sonne, und hier geht die Tundra und Taiga in die Winterlande über, das Reich des ewigen Eises, wo niemand lebt außer den Eisvölkern. Hier liegt auch jener Ort, welcher im Uruanur Tarnath-Inis, das ›Eisschloss‹, genannt wurde. Lange waren die Hallen des Tarnath-Inis verlassen, doch jetzt heißt es, nunmehr seien die Fürsten der Phol-Sedreth hier eingezogen, aus den fernsten Regionen der Winterlande kommend. Hohe Gebirgsketten schützen die weiter südlich gelegenen Länder zumeist vor den Eisstürmen des Nordens.

Der Nordwesten der lauretischen Landmasse besitzt daher im Schatten der Nordberge nicht zuletzt aufgrund günstiger Meeresströmungen ein vergleichsweise mildes Klima. Die Westküste ist gleichwohl nur dünnbesiedelt, und hier sind einzelne Fischerdörfer die größten Ansiedlungen. In Naurithan gedeien im Schutz der Gebirge große, unberührte Wälder, die zum östlich angrenzenden Seenland hin in sumpfige Auen auslaufen. Pelzjäger und Holzfäller finden hier ein gutes Auskommen, doch im Übrigen ist dieses Land gänzlich unbewohnt.

Weiter im Süden, im Tiefland an den Gestaden des Meeres von Lum, erstrecken sich die weiten Länder Neregond und Asmantien. Neregond wurde einst von Siedlern aus Moragond gegründet, und hier finden sich viele Anklänge dieser alten Kultur. Die menschliche Besiedelung konzentriert sich auf des Umland der wenigen großen Städte, die voneinander unabhängig sind und in steter Konkurrenz zueinander stehen. Bedeutender und reicher als Neregond ist Asmantien. Nominell ein Königreich gelingt es dem Herrscher in Maeslantia allerdings nur selten, seine Macht über die ganze Weite des Landes auszuüben. Die Lebensader Asmantiens und der Länder ringsum ist zweifelsfrei der große Kermail-Strom, über dessen trägen Wassern ein großer Teil des Handels abgewickelt wird.

Der Kermail entspringt im hohen Norden, östlich des Seenlandes, und an seinem Oberlauf erstreckt sich das seltsames Land Keth, welches zumeist von Fremden gefürchtet und gemieden wird. Hier lebt in den Städten Vran, Lumad, Lithai und R'done ein altes, fremdartiges Volk und pflegt wenig Kontakt mit seinen Nachbarn. Im Süden schließt sich die Hochebene Seikee an, die nördlichste Provinz des Reiches von Naladh. Östlich von Seike donnern die Wasser des Kermail die Fälle von Narn-Shiil hinab ins Tiefland Asmantiens.

Östlich des Kermail-Oberlaufs und von Seikee wird der Norden von weiten Ebenen eingenommen, die dem eisigen Nordwind nahezu ungeschützt ausgeliefert sind und nur von einem dürren Gras bewachsen werden: die Große Steppe und östlich davon, durch das Zurtak-Gebirge abgetrennt, Elrasmo. Die Große Steppe, auch Turrgair genannt, wird ringsum von Gebirgen umfaßt: im Osten und Süden das Zurtak-Gebirge, die Norden die Schwefelberge, wo Vulkane die glühenden Einweide der Erde über die winterlichen Schneefelder ergießen, und die Tu-Ram-Berge im Westen. Die karge Steppe wird von mehreren nomadischen Hirtenvölkern bewohnt, die untereinander und mit ihren sesshaften Nachbarn in ständiger Fehde liegen. Lange Zeit waren die patriarchalischen Turr-Stämme die wildesten und gefürchtetsten von ihnen, doch mittlerweile haben die matriarchalischen Lirani die Vorherrschaft errungen. Gleichwohl müssen auch sie sich neuerdings der Oberhoheit neuer Eroberer aus dem Norden beugen, den Phol-Sedreth. Die Hauptstadt der Lirani ist Radiniumar, ein gewaltiges Zeltlager mit wenigen Lehm- und Holzgebäuden, welches von hohen Erdwällen umgeben inmitten der Ebene liegt. In der Mitte von Radiniumar steht der heilige Schrein von Atin-Nal, das größte Heiligtum in Turrgair.

Die Stämme der Steppe sind eine Plage für ihre sesshaften Nachbarn, doch aufgrund gewisser Legenden und Gerüchte nehmen die Lirani Abstand von dem Vorhaben, die reichen Städte am Kermail-Oberlauf zu plündern; lieber unternehmen sie Raubzüge in das fruchtbare Djantum im Süden. Im Nordosten Lauretiens herrscht ein schärferes Klima als im Nordwesten. Eisige Winde jagen unablässig über das Ödland von Mirdannien und die karge Steppe von Elrasmo. Elrasmo stellte einst den äußersten nordwestlichen Teil der cerinischen Ausbreitung dar, doch anders als im Süden konnten hier die Cerinier keine nachhaltigen Spuren hinterlassen.

Die Küstenländer Adarak und Norwak sind dünnbesiedelt von einem Volk, welches die Hoheit von Königen ablehnt und sich nur in Notzeiten zu größeren Gruppen zusammenschließt. Diese Menschen sind verwandt mit den Bewohnern Arlens und Aureliens sowie den Tarániern in Arn. Jenseits von Glithren, dem Eismeer, ragt die Landspitze von Braiz aus dem Ewigen Eis hervor. Dies ist die ursprüngliche Heimat der Ainad, die vor Jahrhunderten weitere Inseln, darunter auch Forthor und Irmhorn, besiedelten.

Die alten Cerinier nannten jenen Teil Lauretiens, der zu ihrem Reich gehörte, Lauretia antemar. In der größten Zeit des Cerinischen Reiches umfassten die lauretischen Provinzen den gesamten Osten Lauretiens mit Ausnahme des Uruanur. Mit dem alten Reich standen die cerinischen Seefahrer zumeist auf freundschaftlichem Fuße. Sie zollten der alten Kultur hohen Respekt und mieden Konflikte mit einem Reich, dessen zauberische Macht als legendär galt.

Nach dem Zusammenbruch beider Reiche erhoben sich auf den Ruinen eine Reihe kleinere Königtümer und Stadtstaaten: Arn, Merdyn, Aurelien, Arlen, Saladin, Telben, Handriad und die Städte von Mestmaren und Sinad. Über diese Länder wird an anderer Stelle mehr berichtet. Hier soll nur noch gesagt werden, dass neben dem alten Uruanur im Osten Lauretiens noch zwei weitere Hochkulturen aus vorcerinischer Zeit bekannt sind:

Da ist zum einen die mythische Insel Ylais, von welcher nur noch Legenden künden und die im Meer unterging, noch ehe Menschen damit begannen, ihre Gedanken schriftlich niederzulegen. Forthor und Irmhorn sollen die Überreste des untergegangenen Ylais sein.

Viel später erst entwickelte sich an den fruchtbaren Ufern des Ischat jene Kultur, deren schriftliche Zeugnisse nicht einmal mehr die Gelehrten zu entziffern vermögen. Lange bevor die Cerinier das Festland erreichten, war die Ischat-Kultur bereits im Dunkel der Geschichte untergegangen, und nur die alten Ruinenstädte Kadah, Luth und Aredu künden von den ersten Menschen, die an den Ufern des großen Flusses ein verwirrendes Netz von Bewässerungsgräben errichteten und ihre vergessenen Götter in pyramidenförmigen Tempeln verehrten.

Der südwestliche Teil der Lauretia antemar wird von der Alata eingenommen, einer gewaltigen Wüste, die zwar den Beinahmen ›die Dünenreiche‹ trägt, doch nur in wenigen Bereichen wirklich von Sanddünen bedeckt ist. Insbesondere der Norden ist eine karge, felsige Ödnis, in der nur wenige Oasen dem Wanderer Möglichkeiten zur Erquickung bieten. Hier verläuft auch die uralte Gewürzstraße, welche die einstigen cerinischen Provinzen mit den reichen Städten am Bortischen Meer verbindet. Die größte Stadt auf diesem Weg ist Irinlo, die Hauptstadt der Néme, jenem Volk, welches die kargen Lande um die großen Salzseen am Nordrand der Alata bewohnt.

An den Gestaden des Bortischen Meeres, wo sich die verschiedensten Kulturen Lauretiens begegnen, hat sich ein ganz eigener Kultur- und Wirtschaftsraum entwickelt. Im Norden reichen die Ausläufer des Uruanur bis an das Bortische Meer heran. Hier liegt die Stadt Darë, wo immer noch die Abkömmlinge eines alten Uruanurgeschlechtes, des Hauses Corund, herrschen. Ihre Schiffe mit dem Zeichen des dreifachen Raben kreuzen an allen Küsten des Bortischen Meeres, doch ihre Macht reicht nicht mehr sehr tief in den Wald hinein.

Im Nordwesten liegt die Provinz Merl des Reiches Naladh mit den großen Städten Destaban und Thalbad. Im Süden und Westen befinden sich mit Samora und Nor Überreste des alten Kunsamor, und hinter dem schmalen, östlichen Küstenland strecken die Trundar-Berge ihre schroffen Gipfel in den Himmel und trennen die Feuchte des Bortischen Meeres von der Dürre der Alata.

Nor wird auch des öfteren als das ›Land der tausend Götter‹ bezeichnet, was wohl eher noch untertrieben ist. Für jede Tätigkeit des täglichen Lebens, für jeden Ort und jede Tageszeit gibt es in Nor mindestens einen eigenständigen Gott, dem natürlich gehuldigt sein will. Glücklicherweise nehmen die meisten Noreer diese ausufernden religiösen Betätigungen nicht besonders ernst, aber es gibt durchaus auch Eiferer. Einige Städte sind bekannt für die strenge Einhaltung ihrer religiösen Vorschriften, während sich andere recht weltoffen und nachsichtig zeigen.

Der Südwesten Lauretiens, südlich des Meeres von Lum und von Naladh sowie westlich des Bortischen Meeres, wurde einstmals zu einem großen Teil von dem Reich von Kunsamor eingenommen, auch wenn in heutiger Zeit nur noch ein kleiner Teil diesen Namen trägt. Lediglich das alte Kulturland Moragond und die Ebene von Sabaar, wo die halbnomadischen Chao große Sakralpyramiden bauten, blieben von den Eroberern aus Eresien unbesetzt. Das altkunsamorische Reich ist längst dahin, doch in seinem ehemaligen Einflussbereich ist eine gewisse gemeinsame Kultur, Schrift und Sprache verblieben.

Alt und ehrwürdig sind die Städte von Melbar: Schon seit der Frühzeit siedeln Menschen in diesem fruchtbaren Landstrich zwischen dem Golf von Miis und dem Roten Gebirge; noch bevor nördlich von Melbar im Mündungsdelta des Naburstromes die gewaltige Metropole Miis entstand, waren Obem, Eem, Nibu und Freene bereits befestigte Städte. Gen Westen wird das Land zwischen den Bergen und der See schmaler und schmaler. Die Dörfer und Ansiedlungen werden spärlicher, bis sich letztlich nur noch ein verwilderter, von schroffen Felsklippen durchsetzter Wald hinzieht bis an die Grenze von Ritegar. Dort endet der Wald und weicht einer steinigen Ödnis.

Ritegar ist ein Land der Vulkane. An vielen Orten haben sich Spalten aufgetan, quillt Magma aus der verletzten Kruste des Landes. Glutseen, Schlote aus Schlacken und Asche, Schwefeldämpfe und Ströme aus Lava — Ritegar ist kein Land von lieblicher Gestalt. Und dennoch, so heißt es, birgt es einen weit wohnlicheren Ort, als ein Unbefangener erwarten würde.

Irgendwo in dieser Wüste aus Feuer und Asche, nicht sehr weit von Melbar entfernt, liegt in einem gewaltigen Talkessel verborgen der Wald von Talem, um welchen sich zahlreiche Legenden ranken. Man sagt, in diesem Wald läge das sagenumwobene Trasch, die geheime Stadt eines rätselhaften Volkes von Seefahrern. Die Schiffe aus Trasch laufen in vielen Häfen der Welt ein, doch ihre Heimat haben nur wenige Außenstehende je gesehen.

Südlich von Ritegar liegen im Meer der Mittagssonne die hoch zivilisierten Inseln Myk, Melt und Thrungel sowie das Rote Eiland, ein kleiner Brocken roten Schiefers, verloren im weiten Ozean. Nördlich von Ritegar schließen sich die Länder Ebendin und Brom an, beide zu weiten Teilen noch von einem urwüchsigen Wald bedeckt.

Das Reich von Naladh, nördlich der schroffen Gebirgszüge der Duluken und Meruken gelegen, ist ein Zusammenschluss der Länder Seikee, Djantum, Merl, Liam und Sabaar. Die Ursprünge des Reiches liegen sehr weit zurück. Seinerzeit waren die Harenik aus Seikee und dem Djantum, die Tarageten aus Merl und die Chao in Sabaar verfeindet und in zahlreiche Kriege verwickelt; insbesondere die Harenik und Tarageten fochten erbittert um die Vorherrschaft im Lande Liam, wobei beide Seiten Chao als Söldner anwarben. Um den jahrhundertelangen Zwist zu ihren Gunsten zu entscheiden, schlossen die Harenik einen Pakt mit den Turr der großen Steppe. Doch die Turr verrieten ihre Bündnispartner, machte sich weite Teile Liams und des Djantums Untertan und errichteten eine grausame Schreckensherrschaft. Erst mit vereinten Kräften konnten die unterdrückten Völker die Turr wieder vertreiben. Dieses Bündnis wurde ›der Bund von Trail‹ genannt, und bald erkannten die meisten den Nutzen auch über die Verteidigung gegen die Völker der Steppe hinaus. So wurde im Laufe der Zeit aus dem ›Bund von Trail‹ das Reich Naladh, in welchem die einzelnen Provinzen weitgehende Unabhängigkeit pflegen.

An der westlichen Küste Lauretiens liegt das Land Moragond, die Heimat einer alten Zivilisation. Zahlreiche Städte gibt es in Moragond, doch bedeutendste ist zweifellos Taugiast, von dem gesagt wird, es sei der älteste von Menschenhand geschaffene Ort auf der ganzen Welt. In Taugiast steht der Steinkreis von Ikam, der noch aus der Zeit vor dem Großen Winter stammen soll.

Der westliche Ozean ist, verglichen mit dem Meer der Mittagssonne und besonders dem Wilden Ozean im Osten, mild und träge. Stürme sind selten, und warme Meeresströmungen bringen ein gemäßigtes Klima bis weit in den Norden. Vier Inselgruppen sind in der Weite des Ozeans westlich Lauretiens bekannt: die Sturminsel, Bederak, die Poia-Inseln und die Jahd-Inseln.

Von Orten jenseits der Jahd-Inseln ist noch keine sichere Kunde nach Lauretien gelangt, doch es gibt Sagen von dem mythischen Sonnenland, welches - sonnenverbrannt und leer - weit im Westen liegen soll, wo die Sonne den Horizont berührt.

 

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